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Angemerkt

Sind Polizisten weniger wert?

Dienstag, 08. Mai 2018, 17:00 Uhr
Heute wurde vom Bundesinnenminister Horst Seehofer die Kriminalstatistik 2017 vorgestellt und die Leitmedien überschlagen sich. Ich habe mir die Zahlen nicht angesehen...

Verletzter Polizist wird begleitet (Foto: fsHH) Verletzter Polizist wird begleitet (Foto: fsHH)
"Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast", lautet ein salopper Spruch. Doch in dem liegt auch ein Körnchen Wahrheit. Vor allem, wenn man mehr als drei Jahrzehnte damit umgehen muss, mit Statistiken.

Also traue ich auch der aktuellen Statistik nicht. Denn zwischen den heute vorgestellten Zahlen und den vermuteten der Polizeigewerkschaften klafft ein Loch von 14 Millionen Straftaten. Nun kann man dort was dazurechnen oder abziehen, doch immer noch bleibt ein Delta, das misstrauisch macht.

Das wissen auch die Beamtinnen und Beamten an der Basis und die wissen auch, was in den zurückliegenden Jahren in punkto Erfassung von Straftaten alles korrigiert und geändert wurde. Auch wenn es manchmal nur Formulierungen sind, sie entscheiden über die Aufnahme oder Nichtaufnahme in die Statistik.

So habe es laut einer schriftlichen Anfrage des Berliner FDP-Abgeordneten Marcel Luthe allein in den letzten zehn Jahren 245 Änderungen an Begriffen und Definitionen in den „Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik“ des Bundeskriminalamtes gegeben, berichtete am Wochenende der focus.

Was aber Fakt ist, das ist die Zahl der über 74.000 Polizistinnen und Polizisten, die im Jahr 2017 im Dienst Opfer von Straftaten wurden. 133 sind das pro Tag. Ihnen schlägt zunehmend Wut, Aggressivität und Respektlosigkeit entgegen. Das ist keine Fiktion, die in den zahllosen öffentlich-rechtlichen Krimis angedeutet wird, das ist der Alltag.

Ob das nun bei ganz normalen Einsätzen an Wochenenden ist, beim Vollzug von Abschiebungen oder bei der simplen Aufnahme eines Verkehrsunfalls, oftmals müssen sich die Beamten selbst schützen. Das war vor einigen Jahren nicht so. Das hat sich verändert. Das hat die Politik zugelassen, sie ist dafür verantwortlich. Im Bund und in den Ländern.

Auch in Thüringen haben Politiker nahezu aller Farbgebungen sich über Jahre hinweg damit gerühmt, endlich bei der Polizei Personal einsparen zu können. Wie viele Polizeireformen es in den vergangenen 15 Jahren in diesem kleinen Freistaat gab, muss hier nicht aufgezählt werden. Die Ergebnisse jeder Reform sind bekannt: weniger Beamte auf den Straßen, dafür mehr Bürokratie.

Doch das, was sich die Thüringer Politik dieser Tage erlaubte, das haute nicht nur dem hart gesottensten Beamten um: Da werden im Umfeld der 1.-Mai-Demos in Erfurt Polizeifahrzeuge in Brand gesteckt. Da fordert die Gewerkschaft der Polizei endlich mal ein klares Signal der Thüringer Politik, vielleicht sowas wie eine Verurteilung der Taten, doch das Innenministerium lässt verlauten, dass man nicht zu jedem Ereignis ein Statement erwarten dürfe, schließlich handele es sich ja nicht um einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim.

Dass sich diese Brandanschläge einreihen in nahezu ähnliche Straftaten wie in Halle oder in Leipzig, bei denen reihenweise Polizeifahrzeuge "abgefackelt" wurden, das fällt da nicht auf. Eine Politik, vor allem ein Innenminister, der nicht hinter seiner "Truppe" steht, der sollte seinen Hut nehmen. Aber auch das hat eben in Thüringen Tradition - vor allem seit dem Jahr 2014. Auf diese Politik und diese Politiker können sich die Beamtinnen und Beamten der Thüringer Polizei nicht verlassen. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch im Streifenwagen unterwegs sind.
Peter-Stefan Greiner
Autor: red

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