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Zur geplanten Testangebotspflicht für alle Arbeitgeber

Erhebliche Bedenken zur Rechtmäßigkeit

Sonntag, 18. April 2021, 15:39 Uhr
"Die Coronapandemie hält die Gesellschaft im Verlauf der nun anhaltenden dritten Welle weiter in Atem und veranlasst die Politik zu weiteren Eindämmungsversuchen." So beginnt eine Auseinandersetzung der Nordhäuser Anwälte Stephanie Has und Michael Koch mit dem Ansinnen der Bundesregierung dir Arbeitnehmer zu Tests ihrer Angestellten verpflichten zu wollen...

Das Bundeskabinett hat am 13.04.2021 die 2. Änderungsverordnung zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verabschiedet, mit der den Arbeitgebern eine Coronatestpflicht auferlegt wird.
Nachstehend wollen wir Sie über die Einzelheiten informieren.

1. Umfang der Testpflicht
Die Arbeitgeber werden verpflichtet, Beschäftigten mindestens einmal pro Kalenderwoche einen Test über einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 anzubieten. Bei Arbeitnehmern, die im Homeoffice arbeiten, gilt keine Testpflicht.
Arbeitnehmern, die einem erhöhten Kontaktrisiko ausgesetzt sind, müssen mindestens zwei Tests pro Kalenderwoche angeboten werden. Das sind:
  • a) Beschäftigte, die vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind,
  • b) Beschäftigte, die unter klimatischen Bedingungen in geschlossenen Räumen arbeiten, die eine Übertragung des Coronavirus SARS-CoV-2 begünstigen,
  • c) Beschäftigte in Betrieben, die personennahe Dienstleistungen anbieten, bei denen direkter Körperkontakt zu anderen Personen nicht vermieden werden kann (etwa Frisöre, Physiotherapien, Arztpraxen, Kranken- und Pflegeeinrichtungen),
  • d) Beschäftigte, die betriebsbedingt Tätigkeiten mit Kontakt zu anderen Personen ausüben, sofern die anderen Personen keinen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen,
  • e) Beschäftigte, die betriebsbedingt in häufig wechselnden Kontakt mit anderen Personen treten (Supermärkte, Post, Nahverkehr etc.).


2. Wer trägt die Kosten?
In dem aktuell verfügbaren Text der 2. Änderungsverordnung ist eine Regelung, wer die Kosten zu tragen hat, nicht enthalten. Da die Testung der Arbeitnehmer aber als arbeitgeberseitige Testpflicht geregelt ist, gilt im Umkehrschluss, dass die Arbeitgeber die Kosten der Testung zu tragen haben. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der amtlichen Begründung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Verordnungsentwurf.

3. Erfasster Personenkreis
Die 2. Änderungsverordnung nennt lediglich den Begriff „der Beschäftigten“. Da die 2. Änderungsverordnung jedoch auf dem Boden des Arbeitsschutzgesetzes steht, ist auf den im Arbeitsschutzgesetz gewählten weiten Beschäftigungsbegriff (§ 2 Abs. 2 ArbSchG) abzustellen. Danach sind Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes:
  • Arbeitnehmer,
  • Auszubildende,
  • arbeitnehmerähnliche Personen,
  • Beamte und Richter,
  • Wehrdienstleistende,
  • Berufs- und Zeitsoldaten,
  • die in Werkstätten für Behinderte Beschäftigten.

Bemüht man die öffentlich zugänglichen Statistiken für diese Berufsgruppen, sind insgesamt ca. 42.500.000,00 Euro für Berufstätige erfasst:
  • sozialversicherungspflichtig Beschäftigte = 33.688.000 Euro
  • geringfügig Beschäftigte = 6.965.000 Euro
  • Beamte und Richter = 1.710.000 Euro
  • Wehrdienstleistende = 8.000 Euro
  • Berufs- und Zeitsoldaten = 171.000 Euro
  • Summe = 42.542.000 Euro

Vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales werden die dafür arbeitgeberseitig entstehenden Kosten mit 130,00 € je betroffenen Beschäftigten geschätzt (hier sind allerdings auch die Kosten für die Bereitstellung medizinischer Gesichtsmasken eingepreist). Die Kalkulation gilt für zunächst 10 Wochen.
Gesamtvolkswirtschaftlich betrachtet entstehen damit auf Arbeitgeberseite Kosten von (42.542.000 Beschäftigte x 130,00 €) 5.530.460.000,00 €. Das entspricht also durchschnittlichen Kosten von 553 Millionen Euro je Kalenderwoche.

4. Besteht eine Testpflicht der Beschäftigten?
Die bislang veröffentlichten Verlautbarungen des BMAS gehen dahin, dass die Arbeitnehmer keine Pflicht haben sollen, sich dem Test zu unterwerfen. Diese so pauschale Darstellungsweise des BMAS ist zurückzuweisen, da diese Auffassung falsch ist. Wir hatten bereits im Newsletter vom Februar 2021 https://www.koch-boikat.de/blog/arbeitsrecht-in-der-corona-krise-corona-schnelltestpflicht-im- arbeitsverhltnis/ darauf hingewiesen, dass es im Arbeitsverhältnis Situationen geben kann, in denen der Arbeitnehmer verpflichtet sein kann, einen Coronatest in Anspruch zu nehmen (z. B. Vorliegen coronatypischer Erkältungssymptome oder Tätigkeiten mit direktem Personenkontakt bzw. Konstellationen, bei denen schwerwiegende Arbeitgeberinteressen an der Durchführung eines Coronatests die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verdrängen). Außerdem wird auf die für den Freistaat Thüringen geltende Sonderregelung für die Testpflicht in Pflegebereichen (ThürSARS-CoV- 2-IfS-MaßnVO) hingewiesen. Diese Verordnung wirkt unmittelbar und sieht eine Testpflicht von Beschäftigten in den Einrichtungen der Pflege vor (zweimal bzw. dreimal wöchentlich).

Andererseits haben Arbeitnehmer aber auch ein Wahlrecht darüber, ob sie das Testangebot des Arbeitgebers oder ein öffentliches Testangebot in öffentlichen Testzentren in Anspruch nehmen.

5. Inkrafttreten und Laufzeit
Die 2. Änderungsverordnung ist vom Bundeskabinett am 13.04.2021 beschlossen worden. Sie wird in Kürze im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt sodann am 5. Tag nach der Verkündung in Kraft, dies wird aller Voraussicht nach in der 16. Kalenderwoche vom 19.04. bis 25.04.2021 der Fall sein. Diese 2. Änderungsverordnung gilt zunächst nur bis zum 30.06.2021.

6. Betriebliche Organisation der Testung
Es gibt keinerlei Vorgaben der Bundesregierung dazu, wie die Testung zu organisieren ist. In der Begründung zu der Verordnung ist lediglich die Verwendung sogenannter Antigenschnelltests erwähnt. Weder ist klargestellt, ob die Testung im Betrieb oder außerhalb des Betriebes, durch eigene Mitarbeiter oder durch Fremdpersonal oder externe Kooperationspartner durchgeführt werden soll. Demgemäß besteht für die Betriebe die Möglichkeit, sowohl interne als auch externe Durchführungsvarianten zu wählen. Die Möglichkeit der öffentlichen Testung durch öffentliche Testzentren sollte aktiv genutzt werden. Für die betriebliche Dokumentation der Testung ist es dann allerdings wichtig, dass der Arbeitnehmer das Testergebnis der öffentlichen Teststelle zur Einsicht und damit zur Dokumentation vorlegt.

Die Dokumentation der Testung ist übrigens nicht geregelt. Die Verordnung sieht lediglich eine Aufbewahrungspflicht für die Nachweise über die Beschaffung von Tests oder Vereinbarungen mit Dritten über die Testung der Beschäftigten vor. Hier besteht eine Aufbewahrungspflicht von vier Wochen.

7. Testzeit = Arbeitszeit?
Bislang ist die Frage, ob die für die Testung der Arbeitnehmer notwendige Zeit Arbeitszeit ist und ob dieses vom Arbeitgeber bezahlt werden muss, nicht geklärt. Das hängt schlicht mit der Aktualität dieser Frage und dem Umstand zusammen, dass sich das Bundesarbeitsministerium zu dieser Frage in Schweigen hüllt. Die am 15.04.2021 im Internet zugänglichen Quellen zeichnen dazu ein unterschiedliches Bild. Eine Meinung geht dahin, dass die 2. Änderungsverordnung die Arbeitgeber nur verpflichtet, eine Testmöglichkeit anzubieten. Die Testung selbst, gleich ob intern oder extern, sei keine Arbeitszeit. Da nach der Diktion der Verordnung keine Pflicht des Arbeitnehmers zur Inanspruchnahme der Testung besteht, könne die Testzeit selbst auch keine Arbeitszeit sein. Der Arbeitnehmer nimmt eine so vom Arbeitgeber geschaffene Möglichkeit zur Testung wahr. Die dafür erforderliche Zeit muss er als Freizeit aufbringen.
Eine andere Meinung geht dahin, dass die Testung nur deshalb erforderlich ist, weil der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht erfüllen muss. Dementsprechend hängt die Testung mit der Erfüllung der Arbeitspflicht zusammen und sei deshalb Arbeitszeit.

Diese Frage wird letztlich von Gerichten zu klären sein.
Unterzeichner tendieren aber dahin, die Testzeit nicht als Arbeitszeit zu bewerten, da der Text der 2. Änderungsverordnung keinerlei Anhaltspunkte dafür liefert, dass die Vorhaltung von Testangeboten auch zu einer damit korrespondierenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitnehmers führt, sich testen zu lassen.

Etwas Anderes wäre es aber, wenn der Arbeitgeber unter den oben zu Ziff. 4 genannten Bedingungen vom Arbeitnehmer die Testung verlangen kann.

8. Arbeitsverweigerung bei unterlassenem Testangebot?
Im Internet wird unter Juristen auch die Frage diskutiert, ob der Arbeitnehmer das Recht hat, seine Arbeit zu verweigern, wenn der Arbeitgeber entgegen der 2. Änderungsverordnung keine Testangebote unterbreitet. Als anwaltliche Berater würden wir ein solches Vorgehen nicht empfehlen, da die Arbeitsverweigerung häufig mit nachhaltigen Sanktionen, wie Abmahnung oder gar Kündigung des Arbeitsverhältnisses beantwortet wird. Zwar wäre theoretisch die Verweigerung der Arbeitsleistung unter solchen Bedingungen denkbar, die eine erhöhte Infektionsgefahr mit sich bringen, etwa in den Bereichen, in denen ohnehin eine gesetzliche Testpflicht besteht. Eine solche Situation kann aber nicht auf das allgemeine betriebliche Geschehen übertragen werden, weshalb wir Arbeitnehmern nicht empfehlen können, wegen des Ausbleibens von Testangeboten die Arbeit zu verweigern.

9. Wie ist der Test durchzuführen?
Da die Verordnung dazu keinerlei Vorgaben macht, muss davon ausgegangen werden, dass die Testung unter innerbetrieblichen Umständen, aber auch extern durch Dritte durchgeführt werden kann. Für die innerbetriebliche Testung gibt es, jedenfalls bislang, keine Vorgaben. Damit ist der Arbeitgeber darauf angewiesen, die Herstellerangaben der eigens beschafften Tests zu nutzen und diese anzuwenden. Bei Selbsttests, die also der Eigenanwendung durch jeden einzelnen Arbeitnehmer dienen, muss der Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, die Herstellerangaben zu lesen. Es muss sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer diese Herstellerangaben auch versteht und umsetzen kann.

Wir haben probeweise den bei Lidl erhältlichen Selbsttest Rapid SARS-CoV-2 Antigen Test hinsichtlich seiner Praktikabilität überprüft. Die Herstellerhinweise erstrecken sich auf 2 DIN- A4-Blätter und sind in einer kleinen Schriftgröße verfasst. Es werden Vorgaben für Umgebungstemperatur, räumliche und Umgebungsbedingungen sowie für die subjektive Situation des Probanden gemacht (es werden allein 14 wichtige Informationen benannt, die vor der Durchführung des Tests zu beachten sind, weiterhin 13 Informationen über die Einschränkungen des Tests und weitere 7 Maßnahmen zur Vorbereitung des Tests). Das Testverfahren selbst gliedert sich nach der Herstelleranleitung in 11 Verfahrensschritte.

Allein diese wenigen Fakten legen nahe, dass bei der Umsetzung der Testangebotspflicht im betrieblichen Alltag Probleme entstehen werden, die letztlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer treffen.

Ebenso wenig hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei der Abfassung der 2. Änderungsverordnung Regelungen dafür vorgesehen, welche Voraussetzungen vom Arbeitgeber gestellte Testpersonen erfüllen müssen.
Arbeitgeber müssen sich auch bewusst sein, dass im Rahmen der Testung der Arbeitnehmer Positivbefunde entstehen können, die dann gegenüber den Gesundheitsämtern zwingend meldepflichtig sind. In diesem Zusammenhang werden all die Personen, die im Betrieb mit der Testung des betroffenen Arbeitnehmers in Kontakt waren, mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Quarantäne unterworfen werden.

Dringender Hinweis:
Angesichts der Unwägbarkeiten, die bei einer innerbetrieblichen Testung entstehen können, kann nur dringend angeraten werden, die externen Testmöglichkeiten durch öffentliche Testzentren, Apotheken o. Ä. zu nutzen. Die durch eine innerbetriebliche Testung entstehenden Risiken für die Testenden, aber auch für die Testpersonen können allenfalls in Großbetrieben, die über ein ausreichendes Coronatestmanagement verfügen, beherrscht werden, keinesfalls in kleinen oder mittelständischen Betrieben!

10. Fazit
Die Bundesregierung hat, ähnlich wie die vor Ostern beabsichtigte Osterruhe an Gründonnerstag und Karsamstag, mit „heißer Nadel“ eine Testpflicht konstruiert, die in großen Teilen Fragen aufwirft. Außerdem muss wegen der dem Arbeitgeber auferlegten Kostentragungspflicht die Frage erlaubt sein, ob es sich bei der von der Bundesregierung statuierten Testpflicht tatsächlich um eine Maßnahme des Arbeitsschutzes handelt. Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz sollen die Arbeitnehmer vor den spezifischen Gefahren, die von der Arbeit an bestimmten Arbeitsplätzen ausgehen, schützen. Die Testung bezieht sich aber auf ein allgemeines Gesundheits-, Krankheitsrisiko, das die Arbeitnehmer auf Grund der gesamtgesellschaftlichen Dimension tragen. Hier gibt es also keine arbeitsplatzspezifische Besonderheit mit Ausnahme der Tatsache, dass Arbeitnehmer im Betrieb und am Arbeitsplatz arbeitsteilig zusammenarbeiten und dadurch Kontaktnähe entsteht. Dies ist aber nur im Zusammenhang mit dem pandemiebedingten Geschehen ein erhöhtes Risiko und somit die Testung eigentlich gesellschaftliche bzw. staatliche Aufgabe und nicht Pflicht der Arbeitgeber.
Dass der Staat die Arbeitgeber dann auch noch mit der Frage der Art und Weise der Testung und den Folgen der Testung allein lässt, beschreibt nur die allgemein bestehende Hilflosigkeit im Umgang mit eigentlich notwendigen pandemievorbeugenden Maßnahmen.

Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn jemand diese 2. Änderungsverordnung schnellstmöglich wieder abschafft oder dafür sorgt, dass diese gar nicht erst in Kraft tritt. Testungen durch öffentliche Testzentren wären der wesentlich sinnvollere Weg, insbesondere auch unter dem Aspekt der Wahrung notwendiger Qualitätsstandards.
Michael Koch
Fachanwalt für Arbeitsrecht Rechtsanwalt
Anlagen
Stephanie Has
Fachanwältin für Arbeitsrecht Rechtsanwältin
Autor: red

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