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Warum kann die Zivilgesellschaft keine Satire mehr ertragen?

Der doppelte Aufstand der Kritiker

Freitag, 23. April 2021, 19:35 Uhr
Jeder kann von der Aktion der 50 Schauspieler, die heute viral und durch die Medien ging halten was er will, niemand muss sie gut finden. Eindeutig als Satire produziert, entbehren die meisten der kleinen Videos nicht eines gewissen Witzes und satirischen Charmes...

Mein Favorit ist der Beitrag von Nadja Uhl, die ihren Kindern nur noch das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ vorliest, allerdings ohne den Schluss mit der Enthüllung des Kindes, dass der Kaiser nackt ist. Es gibt aber auch viele weitere die einfallsreich und komisch sind.

Der erfolgte schnappatmende Aufschrei der Leitmedien und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war vorhersehbar und wohl auch deshalb so laut, weil eine ganze Reihe der Akteure dort in Lohn und Brot stehen und Filme im gebührenfinanzierten Fernsehen drehen. So haben die Mimen mit ihrer Aktion nicht nur für Aufsehen gesorgt, sondern auch gleich diejenigen demaskiert, die keine Kritik an den bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung ertragen wollen.

Deren billige Argumente waren wie immer eine angebliche geistige Nähe zu politisch rechten Auffassungen, Solidarisierung mit Coronaleugnern und Aluhutträgern etc. pp. Nichts von alledem ist in den Videos zu sehen oder hören, denn dort bedienen sich intelligente Leute der Kunst der feinen Ironie. Eine Kunstform, die leider zusehends verloren geht in einer immer aufgeregteren und banaleren Welt. Auch wird in keinem Beitrag auf medizinische oder pandemiestartegische Aspekte eingegangen, sondern in allen werden die Panikmacherei und fragwürdigen Lockdown-Maßnahmen karikiert.

Ein Gegenvideo eines mit unbekannten Künstlers unter „allesschlichtmachen“ greift dann im gleichen Stile die 50 Schauspieler an, explizit Jan Josef Liefers, dem man alles mögliche vorwerfen kann, aber nicht dass er sich von Reichsbürgern, so genannten „Schwurblern“, Nazis oder Verschwörungstheoretikern beeinflussen ließe. Doch weil seinem Beitrag auch Kritiker der Merkelmaßnahmen und der angstschürenden Medien applaudierten, versucht ihn der „Künstler“ mit diesen auf eine Stufe zu stellen. Das ist echt erbärmlich, wie allgemein das Gejammer der vielen Angreifer inhaltlich substanzlos und plump daherkommt. Ein Kommentator im Berliner „Tagesspiegel“ versteigt sich sogar in seiner Überschrift zu der Behauptung, die Aktion wäre „so schäbig, dass es weh tut.“

„Eklig“, „Fremdschämen“ und andere vernichtende Schlagworte sind reichlich gedruckt und gesagt worden heute. Als wären die 50 dafür verantwortlich, dass es bisher 80 000 Coronatote gab und nicht die untätige Regierung, die erst keine Masken, dann keine Ideen, dann Sommerpause, dann keinen Impfstoff und nun keine Tests hat, während Tausende in den Altenheimen isoliert und einsam starben, weil es weder Strategien noch einen halbwegs offenen Diskurs über die Zukunft gab.

Gemeinsame Aktionen deutscher Künstler sind nichts wirklich Neues. Früher waren das Unteschriftenlisten, die sich beispielsweise 1976 gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR richteten. Damals wurde vom kommunistischen System und seinen Staatsmedien genau so ein wütender Druck ausgeübt, wie heute von Böhmermann und Konsortenn zu erleben war.

Und so wie Meret Becker und ihr Tatort-Kollege sich gleich wieder distanziert haben von ihren Beiträgen, so wie Heike Makatsch sich genötigt sah, relativierend zu erklären, sie habe niemandem weh tun und die Opfer nicht verhöhnen wollen, so ruderten auch damals eine ganze Reihe der Unterzeichner des Biermann-Appells wieder zurück.

Schon der Vorwurf, dass mit den kurzen Videos der 50 Schauspieler die Todesopfer der Coronakrise beleidigt worden wären ist zynisch und abstoßend. Und entlarvend. So funktioniert Demokratie nicht. Das sind die Methoden der Einschüchterung, die in einer aufgeklärten Gesellschaft nichts verloren haben.

Diejenigen, die sich hätten angegriffen fühlen müssen (Bundeskanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Spahn zum Beispiel) reagierten im Gegensatz zu ihren wütenden Verteidigern auch ganz gelassen auf die Aktion und betonten, dass es in einer Demokratie erlaubt sei, Kritik zu äußern.

Ob das die Intendanten der deutschen Fernsehsender auch so sehen, kann sicherlich bald im Programm von ARD und ZDF in den Besetzungslisten beobachtet werden. Ich warte unterdessen darauf, dass die 50 vielleicht eine Serie bei Netflix produzieren. Das könnte wirklich witzig werden.
Olaf Schulze
Autor: osch

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