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acto fragt:

Gehört die Ukraine in die EU?

Freitag, 24. Juni 2022, 07:00 Uhr
Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock fordert ein effizientes Verfahren und unterstützt einen EU-Beitritt der Ukraine. Dieser Ansicht ist uns Kolumnist acto nicht...


„Es gilt jetzt, nicht nach Schema F zu verfahren, sondern diesen historischen Moment zu nutzen und der Ukraine mit Blick auf ihre Perspektive deutlich zu machen: Ihr gehört mitten in die Europäische Union“, sagte die Grünen-Politikerin am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg, wohl wissend, dass es mit der Rechtsstaatlichkeit in dem Land „mitten in Europa“ nicht besonders weit her ist. Ist diese Aussage konform mit ihrem Amtseid „dem Wohl des Deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden….“?

Nicht nur die Menschenwürde, die Freiheit, die Demokratie und die Gleichstellung zählen zu den Grundwerten der EU, auch die Rechtsstaatlichkeit. Alle Tätigkeiten der Mitgliedsländer stützen sich auf freiwillig und demokratisch vereinbarte Verträge. Recht und Gesetz werden von einer unabhängigen Justiz aufrechterhalten und Korruption bekämpft. Die EU-Mitgliedsländer haben dem Europäischen Gerichtshof die Befugnis übertragen, in letzter Instanz zu entscheiden. Seine Urteile müssen von allen respektiert werden. Noch gilt in der EU das Einstimmigkeitsprinzip.

Vor dem Krieg war die Korruption eines der größten Probleme in der Ukraine. Wolodymyr Selenskyj hatte versprochen, sie zu bekämpfen und ist so Staatspräsident geworden. Doch geändert hat auch er bis heute nichts, im Gegenteil.

Seit über zwei Jahrzehnten versucht die EU, ihren "strategischen Partner" die Ukraine zu fördern, mit Zuschüssen, Krediten und immer neuen Berater- und Förderprogrammen. Damit ist die EU Kiews größter Geldgeber, allein in den zurückliegenden fünf Jahren flossen rund 15.000.000.000,00 Euro in die Ukraine.

Doch noch immer teilen Oligarchen, hohe Staatsdiener, korrupte Staatsanwälte und Richter den Staat unter sich auf. Es verschwinden Milliarden ins Ausland. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist weder der Aufbau eines Rechtsstaates noch der Kampf gegen Korruption vorangekommen, so der ECA-Bericht "Bekämpfung der Großkorruption in der Ukraine".

Einerseits sei sich die EU der zahlreichen Verbindungen zwischen Oligarchen, hochrangigen Beamten, der Regierung, dem Parlament, der Justiz und den staatseigenen Unternehmen bewusst, andererseits wurden aber keine Konsequenten daraus gezogen. Juhan Parts, Mitglied des Europäischen Rechnungshofes, prüft sowohl die Ukraine, als auch die Länder des westlichen Balkans. Parts schätzt, dass Oligarchen und mit ihnen verbundene Personen "Milliarden" zu Unrecht erlangten Geldes in der EU gewaschen haben.

Angesichts der an den meisten Stellen weiterhin korrumpierten Justiz verpufft die Arbeit der echten Reformer. "Es ist wie beim Bau eines Hauses", sagt Rechnungshofmitglied Parts. "Wenn das Fundament noch fehlt, hat es keinen Sinn, über den Einbau von Fenstern im sechsten Stock nachzudenken."

Scheinbar ist nicht nur dieses einleuchtende Argument Frau Baerbock völlig egal. Mögliche Konsequenzen eines beschleunigten oder verfrühten Beitritts der Ukraine zur Europäischen Union hätte sich für alle Europäer schwerwiegende Fplgen.

Vor diesem Hintergrund sollte die Zustimmung für wertere Fortschritte im Beitrittsprozess der Ukraine zur EU an wirkliche Fortschritte im Demokratisierungsprozess und der Schaffung eines „mitteleuropäischen“ Rechtsstaat geknüpft werden. Denn es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die Ukraine" auf der Überholspur" ist und Länder wie zum Beispiel Nord Mazedonien, dass bereits seit 17 Jahren Beitrittskandidat ist, weiter auf die Eröffnung der Beitrittsgespräche wartet muss.

So entsetzlich und verachtenswert der Krieg auch ist, sollte er nicht Alibi für einen beschleunigten Beitrittsprozess werden und so die entsprechenden Kriterien aufweichen.

actoder Name des Autors ist der Redaktion bekannt
Autor: psg

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