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Über Zehn Jahre internationaler Handball in Nordhausen

Herbert Müller: Eine zweite Sport-Heimat

Sonntag, 22. Januar 2023, 10:00 Uhr
Was waren das für Zeiten? Nordhausen schien sich zur weiteren Thüringer Sport-Hochburg zu mausern. Fußball, Handball, Boxen. Und alles an einem Wochenende. Und nicht etwa in der Kreisklasse. Zeit für einen Rückblick und eine Bestandsaufnahme…

Wuchtiger Abschluss: Johanna Stockschläger im Dezember in der Wiedigsburghalle gegen den IK Sävehof aus Schweden (Foto: Steffen Prößdorf/Stepro) Wuchtiger Abschluss: Johanna Stockschläger im Dezember in der Wiedigsburghalle gegen den IK Sävehof aus Schweden (Foto: Steffen Prößdorf/Stepro)
Da staunten einige meiner Journo-Kollegen aus Studienzeiten nicht schlecht, als ich Ihnen bei einem Jahrgangstreffen 2015 von meinem lokalen Sportwochenende berichtete. Und das ging so: Freitagabend Flutlichtspiel in der Fußball-Regionalliga Nordost im heimischen Albert-Kuntz-Sportpark, Samstagabend Boxen 1. Bundesliga in der ausverkauften Ballspielhalle und Sonntagnachmittag Handball-Championsleague in der ebenfalls ausverkauften Wiedigsburghalle. Ort des sportlichen Wahnsinns war nicht etwa Göttingen, Halle, Jena oder Erfurt, sondern das “mittelkleine” Nordhausen.

Und nun, sieben Jahre später, was ist geblieben? Fußball - Abstiegsplatz in der ungeliebten Oberliga Süd, Boxen - komplette Fehlanzeige. Aber internationalen Damen-Handball gibt es immer noch und das hat zwei Gründe: einen sportlichen und einen menschlichen. Sportlich mischt der Thüringer HC immer noch ganz oben in der Bundesliga mit. Zum Meistertitel reichte es zwar nicht mehr, aber zur Berechtigung für das internationale Geschehen. Die menschliche Komponente hat einen Namen - Helmut Peter. Der Mann ist wie ein Verrückter. Nicht nur beim Auf- und Ausbau seiner Autohaus-Gruppe, sondern auch in der “Verteidigung” seiner Heimatstadt. In Nordhausen begann die wirtschaftliche Geschichte und nun - mehr als 30 Jahre später - ist die Firmenzentrale immer noch in der Rolandstadt zu finden. Und nicht im großen Haus in Erfurt, das noch im ersten Halbjahr eröffnet werden soll.

Diese wirtschaftliche Geschichte machte es möglich, die Handballerinnen des Thüringer HC zu unterstützen, zu fördern und - seit Jahren gemeinsam mit seinem Freund Robert Böhm - maßgeblich zu finanzieren. “Solange ich beim THC was zu melden habe, solange werden wir in Nordhausen für Nordhausen internationalen Handball anbieten”, sagte Helmut Peter im Jahr 2012. Hintergrund dieses lokal-patriotischen Ausspruchs war auch die Tatsache, dass die Handballerinnen des THC damals nur die Salza-Halle in Bad Langensalza als nationale Spielstätte hatten und die den Anforderungen der internationalen Verbände nicht entsprechen konnte.

Mit viel Ehrgeiz und Biss, mit Geld, guten Gesprächen in Nordhausen, holte Helmut Peter die Handball-Championsleague in die Rolandstadt. Welcher Aufwand betrieben werden musste, wie viel Geld in die Hand genommen werden musste, das wissen exakt nur die Beteiligten.

Nun spielen die Damen des THC zwar “nur” noch in der European League, dennoch wird der Aufwand, der betrieben werden muss, ungleich höher und die “alte Dame Wiedigsburghalle” kann kaum noch den passenden Rahmen für ein Heimspiel wie das am Sonntag (22. Januar, 18 Uhr) bieten. Sie ist einfach in die Jahre gekommen. Be- und Entlüftung müssen erneuert, vor jedem Heimspiel muss ein Boden aufs marode Parkett geklebt werden, muss die digitale Werbebande rangefahren und aufgebaut werden. Der Landkreis Nordhausen als Eigentümer der Halle versucht, die dringend notwendigen Erneuerungen etappenweise zu realisieren. Voraussetzung dafür, dass überhaupt erneuert werden kann, ist der Fluss von Fördermitteln aus dem Landeshaushalt. Doch da, so flüstert man hinter vorgehaltener Hand auf den Fluren in der Behringstraße, werden die Fördertöpfe immer kleiner. Gleiches gelte übrigens auch bei allen anderen Fördermitteln für Schulen.

Und immer enger werden die Fesseln, die der europäische Verband den Vereinen anlegt. Extra-Tribüne für die Fernsehkameras, auf der Werbebande dürfen nur noch acht Sponsoren erscheinen, die Halle muss bereits am Vortag für das Training der Gastmannschaften bereit sein. Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter müssen von den Flughäfen abgeholt und wieder zurückgebracht werden. Spezielles Essen für die Gastmannschaften und deren Betreuerstab muss garantiert und Übernachtung gesichert sein.

“So ein Heimspiel in Nordhausen kostet um die 40.000 Euro, das ist durch Sponsoring und Einnahmen kaum noch zu stemmen. Das gibt unsere Region einfach nicht her, wir sind doch nicht Dortmund oder Leverkusen”, kritisiert Helmut Peter, der im Gebaren der Europäischen Handball Föderation einen Affront gegen die kleinen Vereine sieht.

Und es gibt ein weiteres “Problem” aus Nordhäuser Sicht: In Bad Langensalza ist dank großzügiger Förderung der öffentlichen Hand eine “neue” Salza-Halle entstanden, die nicht nur mehr Zuschauern Platz bietet, sondern auch über die modernste technische und bauliche Infrastruktur verfügt. Dort muss nicht jedes Mal umgebaut werden, dort könnten Kosten eingespart werden. Und auch das muss erwähnt werden: es gibt dort bei internationalen Spielen eine ausverkaufte Halle, so wie es eine Heimstätte nun mal an sich hat.

THC-Cheftrainer Herbert Müller blickt im Gespräch mit den Nordthüringer Online-Zeitungen mit einem sehr guten Gefühl auf die mehr als zehn Jahre in Nordhausen zurück. “Wir waren und wir sind immer noch sehr, sehr froh, dass wir mit der Salza-Halle eine Heimstatt für unsere nationalen Spiele gefunden haben und mit der Wiedigsburghalle eine Heimstatt für die internationalen Aufgaben. Die Menschen in und um Nordhausen, deren Herz für den Handballsport schlägt, die arbeiten mit unserem Verein sehr gut, sehr professionell zusammen. Egal, ob es die Übernachtung in der Kalkhütte ist oder die Möglichkeit des Abschlusstrainings in der Halle, sie bieten uns eine zweite sportliche Heimat”, sagt der Cheftrainer.

Herbert Müller: "Nordhausen ist unsere zweite sportliche Heimat" (Foto: THC) Herbert Müller: "Nordhausen ist unsere zweite sportliche Heimat" (Foto: THC)
Robert Böhm und Helmut Peter haben als Gesellschafter in der Spielbetriebs GmbH das Sagen. Und bislang deuten die Zeichen nicht auf Rückzug aus Nordhausen. Allerdings wird bei den beiden Geschäftsleuten irgendwann die Emotionalität für Nordhausen der Rationalität für Bad Langensalza vielleicht weichen. Es sei denn, es gibt Hoffnungszeichen aus der Nordhäuser Polit-Region. Zum Beispiel aus dem Landratsamt als Eigentümer der Wiedigsburghalle. Eine Sanierung braucht die Halle, die Frage ist nur, wann sie beginnen und wie viel Geld dafür benötigt wird. Siehe oben.

Jetzt am Sonntag wird wieder internationaler Handball gespielt. Zu Gast sind die Damen aus Valcea. Ein Sieg ist Pflicht. Gefordert ist nicht nur die Mannschaft um ihren Cheftrainer Herbert Müller, gefordert ist auch das sportbegeisterte Publikum aus dem Norden dieses Freistaates. “Wir werden eine der großen europäischen Traditionsmannschaften Europas erleben, die schon im Finale der Champions League stand, die Weltklassespielerinnen mehrerer Länder in sich vereinigt und die uns alles abverlangen wird. Alle Handball-Fans der Region sind herzlich eingeladen und ich verspreche, die Mädels werden alles geben, um dieses Spiel zu gewinnen”, sagte Müller abschließend.
Peter-Stefan Greiner

Anwurf in der Wiedigsburghalle ist am 22. Januar 2023, 18 Uhr
Autor: psg

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