Do, 20:11 Uhr
25.09.2025
Kritische Anmerkungen zu Freiheyt 1525
Geschichte ohne Ideen zur Landesausstellung
Die Thüringer Landesausstellung 2025 in Mühlhausen erhielt viel Lob zur Halbzeit. Ein genauerer Blick zeigt jedoch zahlreiche Leerstellen und blinde Flecken. Viktor Wesselak bewertet die Exponate und ihre Wirkung...
Die Thüringer Landesausstellung Freiheyt 1525 in Mühlhausen widmet sich dem 500. Jahrestag des Bauernkriegs und des Wirkens Thomas Müntzers in Thüringen. Dabei haben die Ausstellungsmacherinnen eine inhaltliche und räumliche Dreiteilung der Ausstellung vorgenommen, die durch einen gemeinsamen Ausstellungskatalog und eine einheitliche Gestaltung gekonnt zusammengehalten wird.
Der erste Ausstellungsteil widmet sich in dem Kulturhistorischen Museum den Veränderungen in der gesellschaftlichen und medialen Rezeption des Bauernkriegs im Lauf der Jahrhunderte. So werden die Instrumentalisierungsversuche durch den Nationalsozialismus untersucht oder der westdeutsche Blick dem ostdeutschen gegenübergestellt.
Der zweite Teil der Ausstellung entwirft in dem Museum St. Marien ein Panorama des Lebens und Arbeitens zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Mit zahlreichen regionalen archäologischen Fundstücken sowie zeitgenössischen Bildern und Holzschnitten wird ein Eindruck des dörflichen Alltags vermittelt; die Gesellschaftsordnung, in der dieser Alltag stattfand, wird dabei jedoch nur gestreift. So erschöpft sich der Ausstellungsteil über die göttliche Ordnung in astrologischen Spielereien. Völlig fehlen jedoch Einblicke in das vorherrschende Menschenbild, die Rolle der bäuerlichen Frömmigkeit in der Gesellschaft sowie der Religion als Legitimation von Herrschaft – Zusammenhänge, ohne die die durchgreifende Wirkung der als theologische Diskussion gestarteten Reformation auf den Alltag der einfachen Menschen nicht zu erklären ist.
Der dritte und letzte Teil der Ausstellung widmet sich in der Kornmarktkirche dem eigentlichen Bauernkrieg. Die Darstellung orientiert sich an den Lebensläufen einzelner historischer Personen, eine Erzählweise von Geschichte, die eher an Leopold von Ranke erinnert und so die in die Geschichte eintretende Bauernschaft als handelnde Subjekte wieder in den Hintergrund drängt. Neben diesem zumindest diskussionswürdigen Erzählansatz befremden insbesondere die Fehlstellen dieses Ausstellungsteils. So findet sich buchstäblich nichts über die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen der Katholischen Kirchen und den Reformatoren einerseits und Martin Luther und Thomas Müntzer andererseits; Auseinandersetzungen die die Frage, welche Freiheyt dem Menschen innewohnt, unmittelbar betreffen. So wird beispielsweise der Begriff der Guten Werke erwähnt, ohne dass eine Einordnung oder Erklärung erfolgt. Ohne diese Grundlagen ist dann auch keine inhaltliche Überleitung zu den Forderungen der Bauern möglich. Zwar werden die Zwölf Artikel der schwäbischen und Allgäuer Bauernschaft sowie entsprechende Forderungen der Thüringer Bauernschaft erwähnt, jedoch nicht ein Wort über deren Inhalt verloren.
Die Thüringer Landesaustellung meint, die Vermittlung von geschichtlichen Ereignissen von der Ideengeschichte abkoppeln zu können und reduziert ihre Inhalte dadurch auf banale, unverbunden nebeneinanderstehende Häppchen. Ohne diese Hintergründe lassen sich die Umbrüche im Welt- und Menschenbild der Reformationszeit sowie deren Auswirkungen auf die Gesellschaftsordnung nicht verstehen. Umso deutlicher wird diese Lücke, wenn man sich vergegenwärtigt, wieviel Ideengeschichte die DDR meinte mit dem Bauernkriegspanorama von Werner Tübke im ebenfalls thüringischen Bad Frankenhausen ihren Bürgerinnen und Bürgern zumuten zu können.
Die Thüringer Landesausstellung Freiheyt 1525 in Mühlhausen ist noch bis zum 19. Oktober 2025 im Museum St. Marien, dem Bauerkriegsmuseum Kornmarktkirche und dem Kulturhistorischen Museum zu sehen.
Viktor Wesselak
Autor: redDie Thüringer Landesausstellung Freiheyt 1525 in Mühlhausen widmet sich dem 500. Jahrestag des Bauernkriegs und des Wirkens Thomas Müntzers in Thüringen. Dabei haben die Ausstellungsmacherinnen eine inhaltliche und räumliche Dreiteilung der Ausstellung vorgenommen, die durch einen gemeinsamen Ausstellungskatalog und eine einheitliche Gestaltung gekonnt zusammengehalten wird.
Der erste Ausstellungsteil widmet sich in dem Kulturhistorischen Museum den Veränderungen in der gesellschaftlichen und medialen Rezeption des Bauernkriegs im Lauf der Jahrhunderte. So werden die Instrumentalisierungsversuche durch den Nationalsozialismus untersucht oder der westdeutsche Blick dem ostdeutschen gegenübergestellt.
Der zweite Teil der Ausstellung entwirft in dem Museum St. Marien ein Panorama des Lebens und Arbeitens zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Mit zahlreichen regionalen archäologischen Fundstücken sowie zeitgenössischen Bildern und Holzschnitten wird ein Eindruck des dörflichen Alltags vermittelt; die Gesellschaftsordnung, in der dieser Alltag stattfand, wird dabei jedoch nur gestreift. So erschöpft sich der Ausstellungsteil über die göttliche Ordnung in astrologischen Spielereien. Völlig fehlen jedoch Einblicke in das vorherrschende Menschenbild, die Rolle der bäuerlichen Frömmigkeit in der Gesellschaft sowie der Religion als Legitimation von Herrschaft – Zusammenhänge, ohne die die durchgreifende Wirkung der als theologische Diskussion gestarteten Reformation auf den Alltag der einfachen Menschen nicht zu erklären ist.
Der dritte und letzte Teil der Ausstellung widmet sich in der Kornmarktkirche dem eigentlichen Bauernkrieg. Die Darstellung orientiert sich an den Lebensläufen einzelner historischer Personen, eine Erzählweise von Geschichte, die eher an Leopold von Ranke erinnert und so die in die Geschichte eintretende Bauernschaft als handelnde Subjekte wieder in den Hintergrund drängt. Neben diesem zumindest diskussionswürdigen Erzählansatz befremden insbesondere die Fehlstellen dieses Ausstellungsteils. So findet sich buchstäblich nichts über die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen der Katholischen Kirchen und den Reformatoren einerseits und Martin Luther und Thomas Müntzer andererseits; Auseinandersetzungen die die Frage, welche Freiheyt dem Menschen innewohnt, unmittelbar betreffen. So wird beispielsweise der Begriff der Guten Werke erwähnt, ohne dass eine Einordnung oder Erklärung erfolgt. Ohne diese Grundlagen ist dann auch keine inhaltliche Überleitung zu den Forderungen der Bauern möglich. Zwar werden die Zwölf Artikel der schwäbischen und Allgäuer Bauernschaft sowie entsprechende Forderungen der Thüringer Bauernschaft erwähnt, jedoch nicht ein Wort über deren Inhalt verloren.
Die Thüringer Landesaustellung meint, die Vermittlung von geschichtlichen Ereignissen von der Ideengeschichte abkoppeln zu können und reduziert ihre Inhalte dadurch auf banale, unverbunden nebeneinanderstehende Häppchen. Ohne diese Hintergründe lassen sich die Umbrüche im Welt- und Menschenbild der Reformationszeit sowie deren Auswirkungen auf die Gesellschaftsordnung nicht verstehen. Umso deutlicher wird diese Lücke, wenn man sich vergegenwärtigt, wieviel Ideengeschichte die DDR meinte mit dem Bauernkriegspanorama von Werner Tübke im ebenfalls thüringischen Bad Frankenhausen ihren Bürgerinnen und Bürgern zumuten zu können.
Die Thüringer Landesausstellung Freiheyt 1525 in Mühlhausen ist noch bis zum 19. Oktober 2025 im Museum St. Marien, dem Bauerkriegsmuseum Kornmarktkirche und dem Kulturhistorischen Museum zu sehen.
Viktor Wesselak