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Di, 14:27 Uhr
12.07.2022
Konferenz in der Handwerkskammer Erfurt

„Gleichgewicht ist aus dem Lot geraten“

Seit dem Jahr 2017 liegt die Zahl der Ausbildungsplätze über der Zahl der Jugendlichen, die an einer Ausbildung interessiert sind. Dagegen hält der weit verbreitete Run auf das Studium unvermindert an...


Der Ostbeauftragte der Bundesregierung im Bundeskanzleramt, Staatsminister Carsten Schneider, hielt das Grußwort. (Foto: HWK Erfurt/Susann Eberlein) Der Ostbeauftragte der Bundesregierung im Bundeskanzleramt, Staatsminister Carsten Schneider, hielt das Grußwort. (Foto: HWK Erfurt/Susann Eberlein)
„Das Interesse der jungen Erwachsenen an der dualen Berufsausbildung lässt weiter nach, das Gleichgewicht zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung ist aus dem Lot geraten. Offenbar fehlen Kenntnisse über die vielen Perspektiven und Karrierechancen, die eine berufspraktische Ausbildung, auch im Handwerk, bietet“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Erfurt, Thomas Malcherek.

Die Konferenz „Verzahnung von beruflicher und akademischer Bildung im Lichte ihrer Gleichwertigkeit“, die am gestrigen Montagabend (11. Juli) im Berufsbildungszentrum in Erfurt-Bindersleben stattfand und von der Handwerkskammer Erfurt in Kooperation mit dem Staatswissenschaftlichen Forum e.V. sowie dem Jean-Monnet-Chair der Universität Erfurt organisiert worden ist, beleuchtete den Status Quo des deutschen Bildungssystems. Im Austausch mit Führungskräften kleiner und mittelständischer Handwerksunternehmen und der Wissenschaft wurden Lösungsperspektiven erörtert, wie dem immer größer werdenden Fachkräftemangel entgegen getreten werden kann.

Neben Forderungen des Handwerks, wie der Beendigung des Unterrichtsausfalls oder der praxisnahen und realistischen Vermittlung des Unternehmertums in der Schule, wird in der Verzahnung mit der berufspraktischen Ausbildung eine Chance für eine bessere Wertschätzung und Gestaltungsfähigkeit für die Zukunft des Bildungssystems gesehen. „Angesichts des Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft und nicht zuletzt der Rohstoff- und Energieverknappung ist in einer wachsenden Digitalisierung der Fertigungsprozesse die Anpassung des Bildungssystems an die Herausforderungen unumgänglich“, sagte Thomas Malcherek.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung im Bundeskanzleramt, Staatsminister Carsten Schneider, hielt das Grußwort. Neben der Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt und Rückkehrkampagnen für Menschen in den alten Bundesländern baut er auf die Zuwanderung von internationalen Arbeitskräften. „Der Wettbewerb um junge Menschen findet aber global statt. Sie warten nicht auf einen Anruf aus Erfurt“, sagte er. Derzeit arbeite die Bundesregierung am „modernsten Einwanderungsgesetz, das es weltweit gibt. Damit setzen wir den rechtlichen Rahmen. Den gesellschaftlichen müssen Sie setzen. Ich kann nur ermutigen, die Herzen und Arme zu öffnen.“
Prof. Dr. Hermann-Josef Blanke, Vorsitzender des Staatswissenschaftlichen Forums e.V. und Inhaber der Professur für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europäische Integration sowie des Jean-Monnet-Chairs an der Universität Erfurt werden, führte die anwesenden Gäste im Anschluss in die Thematik ein. Während die akademische Bildung in bestimmten Fächern immer beliebter, aber auch beliebiger und flacher geworden sei, sei die berufliche Bildung vernachlässigt worden. „Es ist das Stiefkind der deutschen Bildungspolitik“, betonte er. Um diesen Trend entgegen zu wirken, forderte unter anderem das Heranführen von Grundschülern an praktische Tätigkeiten und Wirtschaft als Nebenfach in den weiterbildenden Schulen.

Der Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, Carsten Feller, nahm indes die 4Ds - Demographie, Digitalisierung, Deglobalisierung und Dekarbonisierung – in den Blick, sprach sich aber auch für die Internationalisierung der beruflichen Bildung aus. Dafür brauche es offene Betriebe, die jungen Menschen eine Chance geben würden, „auch wenn sie noch nicht perfekt Deutsch sprechen“, aber auch die Möglichkeit für deutsche Auszubildende, Erfahrungen und Kontakte auf den weltweiten Arbeitsmärkten sammeln zu können.

Dirk Palige, Geschäftsführer und stellvertretender Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, kritisierte das Überangebot der Bachelorstudiengänge gegenüber den Ausbildungsberufen und den zum Teil desolaten Zustand der Bildungszentren und Berufsschulen. Um die Attraktivität der Berufsausbildung zu steigern, regte er Azubi-Wohnen, ein bundesweites Azubiticket und Auslandspraktika aus und mahnte zur Sichtbarkeit der Gleichwertigkeit, beispielsweise auf Abschlusszeugnissen. „Es ist kein Wettkampf, sondern muss ein ausgewogener Mix sein. Die Bildung mit beiden Säulen – beruflich und akademisch - muss Top-Priorität haben“, fasste er zusammen.


Autor: red

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